Jetzt erst recht! Die wunderbare Trotzmacht des Geistes.

Ganz ehrlich; habt ihr in letzter Zeit auch manchmal das Gefühl, dass alles den Bach runter geht und wir nichts dagegen tun können? Gefühlt breiten sich Resignation, Egoismus und Herzenskälte aus und manchmal weiß ich auch nicht sofort, wie ich damit umgehen soll. Wenn mich dann gelegentlich der Weltschmerz packt, gibt es auch eine andere Stimme in mir, die sagt: "Auf gar keinen Fall gebe ich mich geschlagen - jetzt erst recht!" Manchmal ist sie leise und manchmal ganz laut und voller Kraft und dann weiß ich, gerade jetzt ist die richtige Zeit, um

  • etwas zu wagen
  • etwas Neues zu lernen
  • etwas zu tun, was ich immer schon mal tun wollte
  • Jemandem zu sagen, wie lieb ich sie/ihn habe
  • nett zu den Lebewesen zu sein, die mir begegnen
  • Freude zu empfinden und auszustrahlen
  • das Leben zu feiern
  • und und und

Denn worauf wollen wir warten? Auf schlimmere Zeiten? Das wäre doch absurd! Und gerade, wenn Du Angst hast, es könne alles noch schlechter werden, bedeutet das auch: Jetzt ist die beste Zeit, die Du haben kannst.

Ich will damit nicht sagen, dass wir die Augen vor den Problemen in der Welt verschließen oder gar aktiv wegsehen sollen. Und ich weiß auch, wie mies sich das alles oft anfühlt. Und genau dann weigere ich mich, aufzugeben - niemals - kommt gar nicht in Frage!

Viktor E- Frankl, der Wiener Psychiater und Begründer der Logotherapie & Existenzanalyse hatte dafür einen wunderbaren Begriff, die Trotzmacht des Geistes. Das bedeutet, jeden Tag aufs Neue trotz Allem zu leben, auch wenn mir gerade nichts geschenkt wird und ich dem Leben das Gute und Schöne abringen muss. Und dass ich trotz aller Faktoren, die mich vielleicht einschränken, das Beste aus meinem Leben machen kann. Das ist keinesfalls leicht, aber für mich lohnt es sich so sehr und vielleicht glaubst Du mir, wenn ich Dir sage: Am Ende der Anstrengung und des Ringens wartet ein großer Gewinn auf Dich: Ein Gefühl von Selbstwirksamkeit und das Wissen, dass Du selbst die Heldin oder der Held in Deinem Leben bist. Dass Du Dich selbst retten und gelegentlich über Dich hinauswachsen kannst; im kleinen oder großen Maß - darauf kommt es nicht an.

Aber wo findest Du diese Trotzmacht, wenn Du Dich gerade niedergeschlagen, wütend oder hilflos fühlst?

Zuerst: Auch diese Gefühle haben ihre Berechtigung und müssen nicht auf Teufel komm raus "weggemacht" werden. Es geht vielmehr um einen sinnvollen Umgang damit und die Fragen, was ein Gefühl uns sagen will, ob es real ist oder z.B. einer Erwartungsangst entspringt und wie wir wieder in unsere Kraft kommen, wenn wir außer uns sind. Ich wünsche Dir, dass Du gute Freunde und Verbündete hast, denen Du Dich anvertrauen kannst. Denn es hilft sehr, wenn wir mit negativen Gefühlen nicht allein sind. Gerade wenn wir über globale Krisen sprechen, die uns Angst machen, sitzen wir Menschen alle im selben Boot. Und wenn wir miteinander sprechen, finden wir oft heraus, dass andere einen unterschiedlichen Blick auf Geschehnisse haben.

Ein Perspektivwechsel kann sehr hilfreich sein. Stell Dir vor, Du hättest gerade keine Sorgen und Probleme, wärst entspannt und voller Energie - wie würdest Du dann auf die Situation reagieren? Und falls Du Dir das gerade nicht vorstellen kannst: Vielleicht kennst Du einen Menschen, der die Fähigkeit hat, die Dinge leicht zu nehmen oder jemanden, dem immer etwas einfällt. Stell Dir die Frage, was würde sie/er jetzt tun oder denken?

Mir hilft es auch, mich einen Moment bewusst damit auseinanderzusetzen, was die Emotion ausgelöst hat, ob der Anlass ganz konkret und real ist, oder ob ich etwas interpretiert habe oder mir Zukunfts-Szenarien ausgemalt habe. Was für Gedanken oder Handlungen hat das wiederum ausgelöst? Hat sich das Gefühl dadurch verbessert oder verschlimmert? Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber ich leide gelegentlich unter Katastrophen, die noch gar nicht eingetreten sind, oder die niemals eintreten werden. Das Schöne ist, dass ich das mittlerweile gut erkennen und dann darüber lachen kann, was ich mir da Kreatives habe einfallen lassen (schreckliches Horrorszenario Nr. 125). Oder wie Frankl sagte: "Ich muss mir nicht alles gefallen lassen, nicht einmal von mir selbst". Das soll nicht heißen, dass Du Dich ständig hinterfragen musst; das wäre super anstrengend und es ist auch mal o.k., schlecht drauf zu sein, aber die Möglichkeit, dass Du Dich mit etwas Übung aus Gedanken- und Gefühls-Spiralen selbst befreien kannst, fühlt sich doch gut an, oder?

Und dann stell Dir die Frage, was Du vom Leben zu erwarten hast, doch mal andersherum: Was hast Du dem Leben zu geben? Was ist Deine Antwort auf die Fragen des Lebens? Wie kannst Du Deine Talente dafür einsetzen? 

Wenn wir durch Krisen im "Außen" alarmiert sind, lenken wir dieses Adrenalin, das unser Körper eh produziert, doch in etwas Gestalterisches um! Was kannst Du mit Deinen Fähigkeiten und Deiner Einzigartigkeit zu einem gelingenden Leben beitragen? Ich glaube, da gibt es eine ganze Menge und wichtig: Das muss nicht immer das ganz große Rad sein. Viele heldenhafte Momente in einem Menschenleben finden ganz im Stillen statt, ohne dass sie jemand mitbekommt. Wenn es Dir gerade sehr schlecht geht, besteht die Heldentat vielleicht einfach darin, morgens trotzdem aufzustehen, Dir ordentliche Klamotten anzuziehen und Deine Arbeit zu machen. 

Wenn Du Dir Deiner Fähigkeiten besser bewusst werden willst, mache folgende Übung regelmäßig vor dem Schlafengehen - sie dauert nur wenige Minuten. 

Atme ein paar Mal bewusst und tief durch die Nase ein, halte den Atem ein wenig und atme tief und vollständig durch den Mund aus. Das wird Dein Nervensystem etwas beruhigen. Denke spontan an 2-3 positive Begebenheiten des vergangenen Tages und schreibe diese auf. Es können auch Kleinigkeiten sein, die Du normalerweise nicht als "Erfolg" oder "schönes Erlebnis" verbuchen würdest. Dann notiere daneben, was das Gute mit Dir und Deinen Fähigkeiten zu tun hat. Hier ein paar Beispiele: 

  • Es gab einen vertrauten Moment zwischen Person A und mir; einfach nur ein Lächeln und einen aufmunternden Blick -> Ich bin freundlich und begegne meinen Mitmenschen auf Augenhöhe
  • Ich hatte Stress in der Arbeit, habe aber trotzdem einer Kollegin geholfen -> Ich behalte auch unter großem Druck mein Mitgefühl für andere
  • Meine Freundin und ich haben heute Tränen gelacht -> Ich habe nährende Beziehungen und einen guten Humor
  • Ich habe beim Spazierengehen eine schöne Blume entdeckt -> Ich habe einen Blick für Details und kann mich an Kleinigkeiten erfreuen


Dieses Tagebuch der kleinen Erfolge ist der Beweis dafür, dass Du im Kleinen jeden Tag und jede Minute etwas gestalten und zu einem besseren Leben beitragen kannst. 

Mag sein, dass Du damit nicht die ganze Welt rettest, aber jeder zuversichtliche Mensch, jeder freundliche Blick und jedes liebevolle, offene Herz ist ein Baustein, mit dem wir Zukunft gestalten können. Und zwar genau jetzt in diesem Augenblick. 

Zum Jahreswechsel 2023/2024